e_44 IN AUREA AETATE?

aurea aetas
Laut Ovid lebten die Menschen im goldenen Zeitalter in völligem Frieden, im Einklang mit der Natur, ohne Krieg und ohne Not, nicht einmal Ackerbau war nötig, denn die Natur besorgte alles – die Welt war ein paradiesisches Schlaraffenland. Doch schon in der Antike weckte dieser Mythos Kritik oder führte zu Spott an jenen, die am Fortschritt nichts Positives finden konnten, oder sich, wie es später auch Kant kritisierte, nach einem „in Faulheit verträumten oder mit kindischem Spiel vertändelten Lebens“ sehnten (Immanuel Kant, Klassiker der Politik Band I, 1965, S.62). Indem Gott Jupiter die Herausforderung, Anstrengung und auch den Ackerbau notwendig machte, entriss er die Menschen der Lethargie – der Fortschritt als Antriebsfeder des Menschen war geboren.
Spricht man heute von einem goldenen Zeitalter wie den Goldenen Zwanzigern oder dem Golden Age unter Elisabeth der Ersten, schließt der Begriff den Fortschritt und Betätigung nicht aus, sondern meint eine Blütezeit im Allgemeinen, also in wirtschaftlicher, kultureller oder politischer Hinsicht. Vielleicht können solche Bestimmungen erst im Rückblick auf eine Epoche getroffen werden, denn wer könnte schon sagen, wo wir uns gerade befinden – IN AUREA AETATE?

Der Wert der Nahrung
Angebot und Nachfrage bestimmen in unserem Wirtschaftssystem den Preis und damit den Wert von Nahrung. Ein Überangebot lässt Preise sinken, sie fallen in den Keller. Um sie wieder zu stabilisieren, muss das Angebot künstlich verknappt werden. Steigt aber die Nachfrage zum Beispiel infolge von Missernten, steigen auch die Preise. Besonders teuer sind seltene Nahrungsmittel oder solche, die nur unter großem Arbeitsaufwand hergestellt werden können, wie der aufwendig aus der Blüte eines Krokus gezupfte Gewürzsafran oder der aus dem Kot einer Schleichkatze gewonnene und seltene Kaffee Kopi Luwak. Solche Nahrungsmittel werden in Milligramm abgewogen wie zu früheren Zeiten: seltene Gewürze waren schon im Mittelalter goldwert, so wie das Salz, das weiße Gold, das buchstäblich in Gold aufgewogen wurde.
Aber auch Grundnahrungsmittel wie Getreide hatten Wert, besonders in Notzeiten, dann wurden die Kornkammern wie Schatzkammern bewacht. Weißes Mehl aus Weizen war ohnehin nur den Privilegierten vorbehalten und in schlechten Zeiten haben zuerst die einfachen Leute die Zutaten für ihr Brot gestreckt mit gehäckseltem Stroh. Welchen Wert hat Getreide dann heute, wo es gleichzeitig Überfluss und Hungersnot gibt?

Getreide, das neue Gold
Am 25. Oktober 2009 bezeichnete Frank Seidlitz in „Die Welt“ das Getreide im Zusammenhang um den Kampf um Böden als neues Gold. Sichern sich doch Länder wie China oder Saudi-Arabien weltweit Land und Anbaulizenzen, um in Zukunft Ackerböden und damit genug Rohstoffquellen zu besitzen. Land Grabbing nennt man mittlerweile diesen Erwerb großer Ländereien, der meist in Entwicklungsländern erfolgt. Boden und damit Getreide – ein sich verknappendes Gut?
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft spricht von guten Erträgen in vielen Weltregionen. In seinem Erntebericht 2014 beruft es sich auf das US-Landwirtschafts- ministerium, welches die Weizenernte für 2014/15 auf einem neuen Rekordniveau sieht. Gleichzeitig sinken langfristig gesehen die Weizenpreise global. Das Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung der Universität Göttingen führt den realen Preisverfall für Weizen weltweit auf die anhaltend hohen Ertragssteigerungen seit den 1930er Jahren zurück. Noch mehr billiger Weizen also und zu welchem Preis?
Im Bodenatlas 2015 wird darauf hingewiesen, dass wir die Böden der Welt nutzen, als wären sie unerschöpflich, und es wird vor diesem Umgang gewarnt, denn sie sind in menschlichen Zeiträumen nicht erneuerbar.